Dornröschenschlaf von Kellerleichen

"Dornröschenschlaf von Kellerleichen" gestört

Linkes Forum Paderborn vergibt erstmalig "Arno Klönne-Auszeichnung"

1951 absolvierte Arnold (Arno) Klönne am altehrwürdigen Paderborner Gymnasium Theodorianum, einer Jesuitengründung aus dem 17. Jahrhundert, das Abitur, nicht ohne kurze Zeit vorab für einen Eklat gesorgt zu haben. Als bekannt wurde, dass er der Verfasser einer am schwarzen Brett ausgehängten Glosse war, die sich mit scharfen Worten gegen Deutschtümelei und den wiedererstarkenden Militarismus wandte, wollte der Schuldirektor den zwar hochbegabten, jedoch allzu aufmüpfigen Zögling kurzerhand von der Schule schmeißen. Dazu ist es nicht gekommen und schon bald zog es Klönne nach Marburg zu Wolfgang Abendroth, dessen bedeutender Schüler er als Wissenschaftler und politischer Aktivist wurde.

65 Jahre später erinnerte das Linke Forum Paderborn an den 2015 verstorbenen Soziologen und Politikwissenschaftler mit einer feierlichen Veranstaltung auf dem Schulhof eben jenes Theodorianums. Erstmalig verliehen wurde die "Arno Klönne-Auszeichnung" an den Publizisten und politischen Aktivisten Martin Kolek aus Delbrück. Die Auswahl erfolgte durch ein Kuratorium aus dem engen politischen und wissenschaftlichen Umfeld Klönnes. Vergeben wird die undotierte Auszeichnung alle zwei Jahre an "zukunftsweisende Leistungen Einzelner oder einer Gruppe aus der Region, die sich für soziale Gerechtigkeit, Frieden, gegen Rechts einsetzen".

Kolek, beruflich als Musiktherapeut tätig, der auch im Vorstand des Linken Forums aktiv ist, war in jüngster Zeit an zwei Projekten beteiligt. Der Geehrte, so Forums-Vorsitzender Paul Weitkamp, habe sich im Sinne des Namensgebers in besonderer Weise für dessen zentrale politische Anliegen verdient gemacht. Als Vorsitzender der Delbrücker "Initiative Erinnerungskultur" hat Kolek Forschungen zur Regionalgeschichte von Zwangsarbeitern während des Zweiten Weltkriegs betrieben. Die dazu nötige Sichtung und Auswertung umfangreichen Archivmaterials musste nicht selten gegen heftige Widerstände der lokalen Politik und von Behörden – eine "Mauer des Schweigens und der Verdrängung" – bewerkstelligt werden. Von einem "offenen Umgang mit Erinnerungen", wie ihn Kolek fordert, könne auch in heutiger Zeit noch immer nicht die Rede sein. So hob der Paderborner Historiker Dietmar Klenke in seiner Laudatio hervor, dass "man sich leicht Ärger und Ablehnung" einhandele, "wenn man den Dornröschenschaf von Kellerleichen stört". Für Koleks Erinnerungsarbeit sei entscheidend gewesen, dass die Nachwelt lange Zeit die volle völkerrechtliche Verantwortung für die begangenen Verbrechen in der Nazizeit nicht habe übernehmen wollen. Relativ und spät und dann unvollkommen seien Entschädigen "an Zwangsarbeiter erst auf Druck einer Klagewelle gegen deutsche Unternehmen im Ausland" geleistet worden. "Was dort vor allem im vorletzten und letzten Jahrzehnt an widerstrebenden Reaktionen im Großen zu beobachten war, erlebte Martin Kolek auf örtlicher Ebene im Kleinen."

Im Frühsommer diesen Jahres war Kolek im Mittelmeer auf der "Sea Watch 2" als Flüchtlingshelfer unterwegs. Bei dem riskanten Unterfangen ging es um die Ortung havarierter Flüchtlingsboote und die Rettung von Flüchtlingen. Die Bergung eines ertrunkenen Kleinkindes vor der libyschen Küste, das Kolek im Arm hält, sorgte international für mediale Aufmerksamkeit. Zwar sei es, meinte Kolek, den Aktivisten von "Sea Watch" nicht um ein direktes politisches Statement gegangen, sondern um tätige Hilfe, einen "Akt reiner Menschlichkeit". Aber, so Dietmar Klenke, "die gewaltigen globalen Spannungen zwischen Verflechtung und Grenzziehung bleiben weiterhin ein ungelöstes Problem. So gesehen wirkt die internationale Initiative Sea Watch, in der Martin Kolek aktiv mitgewirkt hat, in als moralische Provokation." – Dass es derer auch künftig vieler weiterer bedarf, davon sind die Initiatoren der "Arno Klönne-Auszeichung" überzeugt, getreu dem Klönne-Motto: "Jetzt seid ihr dran."

Martin Kolek plant derzeit ein Buchprojekt mit dem Titel "Mission Possible". Dort sollen unter anderem Berichte von "Sea Watch"-Aktivisten veröffentlicht werden. Das Kuratorium der "Arno Klönne-Auszeichnung" will ihn bei der Realisierung tatkräftig unterstützen.

www.mission-possible.de

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