Wege aus dem Pflegenotstand

Arbeitsgemeinschaft der katholischen Alten- und Gesundheitshilfe im Erzbistum Paderborn berät über Versorgungsengpässe in der ambulanten Pflege

Paderborn (cpd). Rund die Hälfte der 106 Sozialstationen unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Alten- und Gesundheitshilfe im Erzbistum Paderborn mussten schon Anfragen nach ambulanter Pflege ablehnen. Darauf hat der Vorsitzende Hartmut Claes bei der jüngsten Mitgliederversammlung hingewiesen. Habe man vor fünf Jahren noch um Kunden werben müssen, sei die Situation angesichts eines zunehmenden Pflegenotstandes komplett verändert.

“Jetzt müssen wir uns überlegen: Nach welchen Kriterien sagen wir ab?” Viele, die eine ambulante Pflege für Angehörige suchen, wüssten nicht mehr ein und aus, sagte Claes. “Die Verzweiflung am Telefon bedrückt uns.” Viele Sozialstationen hätten jedoch keine Möglichkeit, weitere Pflegen anzunehmen, weil sie schon über ihre Kapazitätsgrenze hinaus belastet seien.

Teils “massive Versorgungsengpässe” in der ambulanten, wie auch in der stationären Pflege in immer mehr Regionen Deutschlands beklagte auch Gastreferent Dr. Klaus Wingenfeld vom Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld. “Ein ´Weiter so´ kommt nicht mehr in Betracht.” Die Versorgungsstruktur komme auch angesichts des Fachkräftemangels an ihre Grenzen. Nötig seien neue Ideen, um den Pflegeberuf für mehr Menschen wieder interessant zu machen, sagte Wingenfeld.

Ein Weg dorthin sei, aus dem seit vergangenem Jahr gesetzlich neu definierten Pflegebedürftigkeitsbegriff auch einen neuen Pflegebegriff zu entwickeln. Mit der Neufassung des Paragrafen 36 im Sozialgesetzbuch XI hätten pflegebedürftige Menschen jetzt auch Anspruch auf Unterstützung in den Bereichen “kognitive und kommunikative Fähigkeiten” oder in “Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen”.

Doch: “Es gibt wenig Orientierung, was das in der Umsetzung bedeutet.” Die Pflege sei 20 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung sehr “verrichtungsorientiert”, helfe also bei Körperpflege oder Fortbewegung. Aber das sei “zu simpel und zu einseitig”. Vielmehr müsse Pflege auch verstanden werden als Beratung und Anleitung zu Verhaltensänderungen, bei der Haushaltsführung und zur Verbesserung der Pflegekompetenz von Angehörigen.

“Pflege darf nicht nur den Bedarf decken, sondern muss auch Probleme lösen”, so Wingenfeld. Pflegende müssten sich die Zeit nehmen dürfen, eine Pflegesituation zu beobachten und zu verstehen. “Das ist keine Fließbandarbeit.”

Diese Weiterentwicklung der Pflege, so die These Wingenfelds, werde dann auch Fachkräfte mobilisieren, die sich beruflich bereits aus der Pflege verabschiedet hätten. “Viele Pflegefachkräfte wollen auch das machen, was sie gelernt haben.” Das sei mit einem neuen Verständnis von Pflege möglich.

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