“Ich war eine begeisterte Nationalsozialistin”

Kontrovers diskutierte Lesung von Eva Sternheim-Peters beim Linken Forum

Das Linke Forum Paderborn ist bekannt für kontroverse Debatten. Streitbar ging es zu bei einer Lesung der gebürtigen Paderbornerin Eva Sternheim-Peters (Jahrgang 1925), die aus ihrem autobiografisch gefärbten Buch „Habe ich denn allein gejubelt?“ vortrug, behandelnd ihre Jugend und ihr frühes Erwachsenendasein als Funktionärin im „Dritten Reich“.

Zunächst einmal mussten Sternheim-Peters aufgezeichnete Erinnerungen als Provokation für diejenigen erscheinen, die eine Mitbeteiligung breiter Volksgruppen am finstersten Kapitel deutscher Vergangenheit lieber vergessen machen wollen. Die Autorin – sie war am Kriegsende zwanzig Jahre alt – bekannte sich dazu, als junge Frau begeisterte Nationalsozialistin gewesen zu sein. „Ich war direkt dabei und verleugne es nicht“, bekannte sie. „Mitläufertum“ erschien ihr als Kennzeichnung unzutreffend: „Ich bin nicht mitgelaufen, sondern begeistert mitgestürmt.“ Sternheim-Peters erinnerte an den Einfallsreichtum der Nationalsozialisten bei sozialer Wohltätigkeit, der junge Menschen „für die gute Sache“ zu begeistern vermochte: „Als Jungmädel sammelten wir ‚Pfundstüten‘, die wir an Arbeitslose verteilten, am ‚Eintopfsonntag‘ verzichteten wir auf Braten und spendeten das Geld für Wohltätigkeitsveranstaltungen“. Die Anfangsjahre der NS-Diktatur seinen allerorten von den furchtbaren Folgen der Massenarbeitslosigkeit der späten Weimarer Republik geprägt gewesen.

Die so genannte „Machtergreifung“ sei den meisten Paderborner Zeitgenossen erschienen als vorübergehender 15. Wechsel im Weimarer Kanzleramt, verbunden mit der Hoffnung, dass es „den Leuten jetzt wieder besser“ gehe. Der Begriff der „Volksgemeinschaft“ habe ganz konkret ein „Gefühl der Geborgenheit“ nach langer Unsicherheit vermittelt, personalintensive Arbeiten wie die Kanalisation Paderborns, durchgeführt gegen den erklärten Einsatz von Maschinen, hätten die Arbeitslosigkeit bis 1937 zum Verschwinden gebracht. „Unendlich viele Männer gruben hier die Gräben aus“.

Doch das alles betrachtete die Autorin aus sozialer Distanz, denn zur arbeitenden Schicht gehörte Sternheim-Peters nicht. Ihre Sicht auf die Ereignisse war diejenige einer Schülerin „bei den Nonnen“ (im Michaelskloster) aus wohlbehütetem bürgerlichen Haushalt. Und so verfolgte sie, damals einig mit der katholischen Kirche, die „genauso antisemitisch wie die Nazis“ eingestellt gewesen sei, die „Reichskristallnacht“: „Schwarzer Rauch stieg über der Kasseler Straße auf, als die Synagoge, dieses als unheimlicher Fremdkörper empfundene Gebäude, in Flammen aufging.“ Nicht die Novemberpogrome selbst hätten öffentliche Kritik erregt, sondern geherrscht habe „Fassungslosigkeit darüber, dass keine Polizei kam, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen.“ Auch hätten die meisten Zeitgenossen von der Existenz von Konzentrationslagern gewusst, jedoch seien sie überzeugt gewesen, dass in einem deutschen Lager alles anständig vonstatten gehe.

Es ist dieser sich durchziehende Duktus des bloßen Konstatierens der Ereignisse bei weitgehender Aussparung einer kritischen Reflexionsdimension, der die Lebenserinnerungen Sternheim-Peters zur schwierigen, wenn nicht problematischen Lektüre macht. Denn ausgeklammert bleibt das unendliche Grauen hinter den alltäglichen Geschehnissen, weil es nicht zur unmittelbaren Lebenswirklichkeit der Autorin gehörte – oder einer späteren Verdrängung anheimfiel. Das Bekenntnis zu einer Mitschuld für die Menschheitsverbrechen kommt im Buch nicht vor, vielmehr wird die unbeschwerte Leichtigkeit einer jungen Funktionärin des Regimes geschildert: „So war es eben, so haben wir es erlebt.“

Da schien manchen im Publikum allerdings eine entscheidende Korrektur angebracht: So sei es eben aus der Sicht einer privilegierten Überlebenden gewesen, die wie so viele Frauen Teil hatte an der Heroisierung des NS-Kultes. Es gehöre jedoch, zumal in heutiger Zeit, Mut dazu, diesen Umstand der Tabuisierung zu entreißen.

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