Wahl-Paderbornerin verstarb vor 50 Jahren

Stadtarchiv sucht "Lebenserinnerungen" von Fanny Imle

Vor 50 Jahren verstarb am 11. August 1965 eine bedeutende Persönlichkeit, die die längste Zeit ihres Lebens bis zu ihrem Tod in Paderborn verbrachte, über die man Informationen in Lexika oder Geschichtsbüchern aber vergeblich sucht: Dr. Fanny Imle. Der amerikanisch-deutsche Historiker Prof. Dr. Ulrich L. Lehner arbeitet über Imles Leben. Das Stadtarchiv Paderborn sucht ihren möglichen Nachlass und ihre verschrifteten „Lebenserinnerungen“.

Fanny Imle hatte ein bewegtes Leben hinter sich. Geboren 1878 in Ellwangen als Tochter einer großbürgerlichen Familie, verbrachte sie ihre Jugend in einem vornehmen Züricher Internat, um dann als eine der ersten Frauen an der dortigen Universität zu studieren. Dort lernte sie die sozialistische Anarchistenbewegung kennen, der sie sich begeistert anschloss. Im Jahr 1900 trat sie der SPD bei, reiste für Vorträge über die Gleichberechtigung der Frau und die Gewerkschaftsfrage durch das ganze Land.

Doch 1904 konvertierte Fanny Imle zum katholischen Glauben, und es setzte eine Wende ein: Sie erwarb als eine der ersten Frauen den Doktor der Staatswissenschaftlichen Fakultät in Freiburg im Breisgau und publizierte über die Tarifverträge im Deutschen Reich. Ab 1912 widmete sie sich fast ausschließlich philosophischen und dann theologischen Themen und wurde eine der weltweit ersten Laientheologinnen. Vor allem die Tradition der Franziskaner hatte es ihr angetan. Obwohl Fanny Imle nie eine offizielle Ausbildung in Philosophie oder Theologie erhalten hatte, wurde sie schnell zu einer international anerkannten Kapazität. Als sie erblindete, setzte sie ihre Arbeit mit einem Vorleser und unter Hilfe von Freunden fort. Fanny Imle lebte seit 1925 in Paderborn, ab 1936 in ihrem Haus in der Droste-Hülshoff-Str. 13. Der Bombenangriff auf Paderborn beschädigte auch ihr Haus, sie verließ Paderborn und kehrte erst 1955 für die letzten Jahre heim.

Einem ihrer Nachrufe ist zu entnehmen, dass Fanny Imle "Lebenserinnerungen" verfasst hat, in denen sie unter anderem „in packender Weise“ über die Zerstörung Paderborns im Zweiten Weltkrieg schreibt und die auch deshalb für die Überlieferung der Stadtgeschichte bedeutsam sind. Diese "Lebenserinnerungen" sind jedoch weltweit nicht bibliografisch erfasst und gelten als verschollen.

Das Stadtarchiv und Prof. Ulrich L. Lehner sind sehr interessiert an Dokumenten, Fotos oder Briefen, kurz: an dem Nachlass dieser bedeutenden Paderbornerin. Vielleicht besitzt jemand auch nur eine Kopie ihrer Memoiren?

Antworten, Fragen und Hinweise nimmt Andreas Gaidt im Stadtarchiv Paderborn, Pontanusstr. 55, unter Tel. (0 52 51) 88 19 43 oder per Mail an stadtarchiv@paderborn.de entgegen.

nach oben