Noch sehr viel Aufklärung nötig

Lorenz Jaeger: „Noch sehr viel Aufklärung nötig“

Kirchenhistoriker Peter Bürger beim Linken Forum Paderborn

Über neue, noch kaum bekannte Seiten im Verhältnis des ehemaligen Paderborner Erzbischofs Lorenz Jaeger zum so genannten „Dritten Reich“ referierte der Kirchenhistoriker Peter Bürger beim Linken Forum Paderborn. Das zahlreiche Publikum staunte nicht schlecht, glaubten doch die meisten der Anwesenden durch die lokale Presseberichterstattung schon hinreichend informiert zu sein.

Peter Bürger konzentrierte sich in seinem Vortrag auf das Jahr 1943. So habe ein seit 1941 der deutschen Bischofskonferenz angegliederter Ordensausschuss den Bischöfen bei einem Treffen in Fulda im März 1943 reihum mitgeteilt: „Wir können nicht länger schweigen, wir leben in einem Verbrecherstaat, wir müssen für die Menschenrechte eintreten.“ Vom Ausschuss sei die Idee eines offiziellen Dekalog-Hirtenbriefs vorgetragen worden mit Sätzen wie „Mord bleibt Mord!“ oder einem Zitat aus dem paulinischen Galaterbrief: „Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christo Jesu.“ Die deutschen Bishöfe hätten sich mehrheitlich ablehnend zu der Idee geäußert, nun habe die Hoffnung auf Veröffentlichung auf dem jungen Lorenz Jaeger gelegen. Dessen Antwort habe indes gelautet: „Mir will doch ebenfalls scheinen, dass unser Volk in dieser Kriegszeit von uns etwas anderes erwartet hat als das Wort von Fulda.“

Bürgers Kommentar dazu lautete: Jeder Bischof verspreche bei seiner Weihe, sich für Fremde einzusetzen, das gegebene Versprechen sei geradezu konstitutiv für das Amt in der Kirche. Berücksichtigend, dass, so Bürger, Jaeger als Beauftragter für die besetzten Gebiete zu den bestinformiertesten Bischöfen gehört habe und das ganze Ausmaß millionenfacher Massenmorde kannte, sei dessen ablehnende Haltung zum Dekalog-Hirtenbrief ein „Verbrechen sondergleichen“.

Bürger kennzeichnete das Verständnis von Ökumene, das für Jaeger leitend gewesen sei: Die Arbeit der Bischöfe, so Lorenz Jaeger, gelte „nicht einer Kirche im luftleeren Raum, auch nicht einer politischen Macht und Idee, sondern sie gilt unseren deutschen Brüdern und Schwestern, die mit uns eines Blutes sind, deren Schicksal wir teilen, auf daß sie an den zeitlichen und ewigen Segnungen des Reiches Gottes teilnehmen.“ Und weiter: „Keine Macht der Erde wird das Band zerreißen oder auch nur lockern können, das uns mit Euch und mit unserem deutschen Volke verknüpft.“ Peter Bürger klärte darüber auf, dass es sich bei der Wendung „Deutsche Brüder und Schwestern, die mit uns eines Blutes sind“ um den Terminus Technicus für „Arier“ handele. Die Predigttexte Jaegers seien „völkisch vergiftet“ gewesen. „Ökumene“ sei im damaligen Verständnis bezogen gewesen auf blutsmäßige „Volksgemeinschaft“.

Nach dem Kriege, so Bürger, habe sich Lorenz Jaeger zu keiner Zeit von seinen Predigttexten während des „Dritten Reichs“ distanziert. Bürger: „Auch bezüglich des Ökumene-Verständnisses Jaegers ist noch sehr viel Aufklärungsarbeit vonnöten“.

nach oben